Nord – Süd

Seit Erwerb des Ateliers in der Provence verbringt Meyn jährlich zwei Sommermonate in Frankreich. Die dort notwendigen baulichen Maßnahmen schränken den Radius bisheriger Reisen für die nächsten Jahre jedoch stark ein. Erst nach seiner Emeritierung 1995 kann Meyn den jährlichen Aufenthalt im Vaucluse auf ein halbes Jahr ausdehnen. Bis dahin halten sich norddeutsche Landschaften und Motive aus dem Süden die Waage.

 

1985 Bretonische Küste, Aquarell mit Farbstift und Kreiden, 29 x 45

 

1985 Sylt, Pastellkreide unfixiert, 57 x 76

Es scheint als wolle Meyn diese zwei topographischen und klimatischen Welten einander gegenüberstellen, denn seine Motive kreisen um die gleichen Themen. In den achtziger und neunziger Jahren sind das neben den stets existenten, morbiden Stilleben vorrangig Bäume und Vegetation, sowie Küstenstimmungen.

 

1985 Tetrapoden, Pastellkreide unfixiert, 50 x 71

Auf der einen Seite norddeutsche Küstenlandschaften, Watt und Prielflächen, mit Gräsern bewachsene Dünen hinter stürmischen Wellenbergen, ins Meer wachsende Buhnen und Molen, und darüber schwere, drohende Wolkenbündel eines aufziehenden Gewitters, oder farblich leuchtende Kontraste eines sonnigen Herbsttages am Strand. Auf der anderen Seite die romantischen Felsen und malerischen Buchten und Einfahrten im Parc national des Calanques südöstlich von Marseilles, die Meyn immer wieder zeichnet und aquarelliert.

 

1999 Calanques Einfahrt, Farbstift und Kreide auf farbigem Karton 25 x 43

 

Bemerkenswert sind allemal die Unterschiede in der Technik. Während Meyn sowohl bei norddeutschen wie französischen Landschaften mit Bleistift oder Farbstift zeichnet und aquarelliert – selbst im druckgraphischen Werk entstehen nun, geographisch übergreifend, äußerst komplexe Farbdrucke –, nutzt er die Zeichnung mit Pastellkreiden ausschließlich für norddeutsche Motive.

 

1987 Spundwände II, Aquatinta und vernis mou auf Zink, gedruckt von drei Platten, 1/30

Die Reihe von Baummotiven, die Meyn ab Ende 1989 in riesigem Format mit Bleistift zeichnet, zeigen ein ähnliches Phänomen von handwerklicher Autonomie. Oliven, Mandelbäume und Pinien im Süden – Eichen, Linden und Buchenhaine im Norden. Nur die formale Gestalt der Bäume und Landschaften, die Meyn mit souveränem Strich und Schraffur zu Papier bringt, verraten Herkunft und Standort.

 

1989 Rapsfeld, Bleistift und Graphit, 63 x 91

 

1989 Schirmpinien, Bleistift und Graphit, 70 x 100

Das gleiche läßt sich auch bei Alleen und sich in Flüssen spiegelnden Baumreihen erkennen, die Meyn sowohl im Norden als auch im Süden findet, etwa im barocken Parkensemble von Schloss Clemenswerth, oder in Form der mit Platanen umsäumten Marktplätze in Südfrankreich. Neben der regionaltypischen Flora bleibt nur das von Meyn in den farbigen Arbeiten eingefangene Licht, das dem Betrachter einen Hinweis auf den Ort liefert.

 

1989 Große Zedern, Aquarell, 46 x 64

Eine Ausnahme in dieser stilistischen Autonomie bildet die Umsetzung von städtischer Architektur mit ihren markanten Erkennungszeichen. Neben Hamburg und Dresden ist es nur noch seine Geburtsstadt Lüneburg, der sich Meyn mit wirklichen Stadtansichten nähert. Die provençalischen Bergdörfer und das italienische Ceriana hingegen, von denen sich mehrere Blätter unter Meyns Aquarellen finden lassen, sind in ihrer gestalterischen Umsetzung mehr als Landschaft, denn als Architektur zu verstehen.

 

2000 Dresden Hofkirche I, Aquarell, Rötel und Kreide, 46 x 50

 

2000 St. Nicolai Lüneburg, Aquarell und Pastellkreide, 43 x 31