Aus der flirrenden Landschaftsgestaltung Meyns wächst ab Mitte der sechziger Jahre ein Hang danach, dem Filigranen auch mit Farbe zu entsprechen. Vielleicht folgt die Umsetzung beeinflusst durch den Lehrauftrag an der Fachhochschule, bei dem er unter anderem Farbe & Form unterrichtet. Bemerkenswert ist jedenfalls, wie die Strukturen bei Meyns Arbeiten in den Folgejahren Farbe annehmen. Weniger in der Fläche als im Einzelstrich. Was er bislang mittels des Stichels als mehr oder weniger kontrastierende Aneinanderreihung auf der Radierplatte zeichnet, bekommt nun plötzlich Leuchtkraft aus der Farbe, wobei die Themen und Motive teilweise vor dem Horizont verschwimmen und nur zu erahnen sind. Die Unschärfe des Motivs entpuppt sich bei näherer Betrachtung mehr als Farb-, denn als Formverschiebung. Wolken etwa werden zu leuchtenden Bällen. Geschickt vermag es Meyn, mit Komplementärfarben zu spielen, ohne sie dem jeweiligen Antagonisten direkt gegenüber zu stellen.
1967 Ebene, Ölpastellkreide auf Papier, 21 x 38
Die Jaxon Ölkreiden, mit denen Meyn zeichnet – ja, Meyn zeichnet. Er wird abgesehen vom Aquarellisten immer ein Zeichner bleiben – sind sehr anspruchsvoll in der Handhabung, da sie anders als Wachskreiden an sich schon pastosen Charakter besitzen. Bei zu viel Druck neigen die Pigmente zum Schmieren, bei zu wenig Druck wirkt die Linie zitterig, was eine Schraffur-Technik erschwert. Die Kunst liegt in der richtigen Wahl des Untergrunds. Meyn arbeitet sowohl auf farbigem Schichtkarton, ähnlich einem Passepartout, dessen Oberfläche aufgerauht ist, und auf seidig zartem, hauchdünnen Pergamentpapier.
1968 Reiter, Ölpastellkreide auf Pergament, 21 x 29
Thematisch kreisen die Arbeiten nach wie vor um Landschaft und Stilleben, hinzu kommen Sport und Segler, wobei die Segler im Zusammenhang mit Horizont, Wolken, und Spiegelungen stehen. Die geometrische Finesse zwischen ineinander verschobenen Kreisen und Ovalen ist phantastisch. Es zeugt gleichermaßen vom immensen Aufwand und dessen Beherrschen im Bereich der Drucktechnik.
1972 Horizonte III, Strichätzung auf Zink, 20/30 (22 gedruckt)
Für einen Künstler gibt es zwei Möglichkeiten, Bewegung im Zweidimensionalen festzuhalten. Entweder durch Bewegungsunschärfe des Ablaufs, oder durch das genaue Gegenteil, das Festhalten einer Position/Situation, die dem Betrachter den (folgenden) Ablauf mittels gestochen scharfer Momentaufnahmen aufzwingt. Meyn gelingt sowohl das eine, wie auch das andere, aber er fügt der Wahrnehmung noch ein weiteres Element hinzu, nennen wir es sequentielle Bewegung, ähnlich der Beleuchtung durch ein Stroboskop. Erfasst werden nur Zyklen der Bewegung, die sich beim Betrachten zu einem Bewegungsablauf zusammenfügen, perfekt umgesetzt bei seiner Radierung Eisschnellauf von 1970 (ohne Auflage). Obwohl Meyn bei den sportlichen Veranstaltungen, die er abbildet, häufig selbst vor Ort ist (Handball, Trabrennen, Galopp, Polo) ist die neuerdings mediale Wahrnehmung nicht zu leugnen. Natürlich erscheint das erst plausibel, wenn man weiß, dass der erste Fernseher im Hause Meyn zu den internationalen Sportübertragungen in dieser Zeit angeschafft wurde.
1969 Judokas I, Strichätzung auf Zink, 5/30 (5 Exemplare gedruckt)
Formal auffällig ist zu jener Zeit das Verschachteln unterschiedlicher Motive und Sichtweisen, das Bild-im-Bild-Motiv, das Meyn mit teils spiegelbildlichen Einschüben in Szene setzt. Das Bild-im-Bild ist sicherlich nicht bei Meyn geboren, aber er versteht es, die Kombination von Landschaft und (auch) Stilleben auf diese Weise nicht nur zu vervollständigen, sondern mit Hilfe unterschiedlicher Formate und sequentieller Ausschnitte unterschiedlicher Perspektiven zu perfektionieren, was dann mit den Chardin-Variationen im Druckwerk einen Höhepunkt erleben wird.
1973 Drei Zinnen, Ölpastellkreide auf Karton, 35 x 48
Ab den siebziger Jahren treten in diesem Zusammenhang zunehmend imaginäre Themen und auch Perspektiven in den Vordergrund, die eine eindeutige Zuordnung nicht mehr zulassen. Das Spiel mit der Abstraktion verwischt den Blick auf die bislang deutlich zu unterscheidenden Sujets Landschaft und Stilleben immer mehr. Hinzu kommt in den Folgejahren nicht nur in den Stilleben der Hang zu morbider Inszenierung.
1971 Ausblick, Ölpastellkreide auf Pergament, 36 x 47