Orient und Okzident

Die Orientreise, die Meyn gemeinsam mit seiner Frau und seinem Freund Peter Mudra 1959 angeht, übt thematisch – und auch stilistisch – weitgehenden Einfluss auf das Werk bis Mitte der sechziger Jahre aus. Über mehrere Monate bereist Meyn den Orient bis nach Persien und hält sich für längere Zeit dort auf. Aus den zahlreichen Skizzenbüchern und Photographien dieser Zeit begründet sich ein fast unerschöpflicher Pool an Themen und Motiven. Aber vor allem arbeitet Meyn zu dem Zeitpunkt noch plain air, also mit Staffelei, Reißbrett und Skizzenbüchern. Eine Herangehensweise, die er wenige Jahre später fallen lassen wird.

1959 – Istanbul. Aquarell (39 x 50)

 

Die Skizzen sind nach wie vor rauh und flüchtig, versuchen das Elementare der Situation, das Licht und die Perspektive ungefiltert auf das Papier zu bringen. Form und Symbolik des Orients finden erst später Einzug in die Kompositionen seiner Holzschnitte und Radierungen, die teils erst ein halbes Jahrzehnt später umgesetzt werden.

1960 – Kapitelle. Farbholzschnitt (6 von 20)

 

Lichtflirrende Landschaften aus den Wüsten arabischer Bergwelten, verschwommen mit den Inkunabeln christlicher Symbolik und den Formen mittelalterlicher Gotik bestimmen in der Folgezeit die thematische Gestalt von Zeichnung, Radierung und plastischer Struktur.

1966 – Gotisch I Strichätzung, 8 von 30 (gedruckt 9)

 

Kathedralen, Rauchfahnen, Ruinen und Rosetten (von deren undifferenzierter Erscheinung sich Meyn nie lösen wird), mystische Traumlandschaften und Phantasiewelten, wie die Küsten- und Brückenmotive in seinem späten Aquarellwerk. Hinzu kommen historische Geschehnisse, etwa der Marsch der Zehntausend, die Meyn im Zyklus der Anabasis zu Papier bringt.

1962 – Anabasis VI, Stahlfeder. Vorzeichnung zu gleichnamiger Radierung (40 x 65)

Felsengräber, Bergdörfer, Türme und fliegende Gespinste aus Wolken und Sandstürmen. Die Skizzen und Zeichnungen aus dieser Zeit bilden den symbolischen und thematischen Grundstock für Motive, an denen Meyn zumindest im Druckwerk bis Ende der sechziger Jahre festhält.

Eine Zeit lang versucht sich Meyn auch in der Umsetzung orientalischer Bergdörfer und Landschaften mittels klassischer Ölmalerei auf Leinwand, weicht aber schnell von dieser Technik ab, da ihm die langen Perioden der Trocknung hinderlich sind.

1964 Orientalische Stadt, Öl auf Leinwand (43 x 57)

 

Bevor Meyn diese Eindrücke zu seinem monumentalen Zyklus der Anabasis in Druck legen kann, sieht er sich in seiner Heimatstadt mit den baulichen Inkunabeln einer weiteren Moderne konfrontiert. Hochhäuser wachsen allen Ortes über die Stadt Hamburg hinaus. Überall wächst, was inzwischen längst abgerissen, erneuert, bestenfalls saniert wurde. Das Neue Hamburg entsteht. Unter dieser Präambel druckt das Hamburger Abendblatt die Serie Mit den Augen des Künstlers gesehen. Meyn zieht mit Reißbrett und Skizzenblock durch die Stadt, zeichnet, aquarelliert. Es werden die ersten farbigen Klischee-Drucke in einer Tageszeitung überhaupt. Meyns Strich zeigt dabei lässige Routine; auch wenn er Architektur niemals als Schwerpunkt seiner Kunst verstanden wissen wollte: es geht Meyn leicht aus der Hand. Erst im Jahr 2000 widmet sich Meyn noch einmal städtischer Ansichten (Lüneburg und Dresden).

1964 Deutscher Ring. Tusche (37 x 50)

 

Aber es sind Auftragsarbeiten. Und auch deswegen findet sich in Meyns Œuvre in den Folgejahren nur noch exemplarisch Architektonisches, denn mehr und mehr werden seine Arbeiten in Galerien, Kunstvereinen und Museen ausgestellt, und seine bevorzugten Motive sind Landschaft und Stilleben.